Im Licht des Abschieds - Eine Reise der Liebe und Vergebung

Die Frage, warum ich als Sterbe- und Trauerbegleiterin arbeite, berührt einen Teil meines Seins. In meiner Lebensfreude sehe ich nicht die Ignoranz gegenüber dem Schweren, sondern eine tiefe Akzeptanz und Offenheit gegenüber der Vergänglichkeit und der Transformation. Ähnlich wie die Blüten im Wind, die fallen und vergehen, sind auch wir geboren, um eines Tages unseren Körper zurückzugeben und in die Arme des Universums einzukehren.

Als Begleiterin ist es mir ein Anliegen, das baldige Loslassen mit der nötigen Sensibilität zu unterstützen. Ich verstehe, dass Abschied und Neuanfang untrennbar miteinander verbunden sind. Im Atemzug der Sterbenden spüre ich die Melodie des Lebens. Sie lässt ihren endlosen Gesang leise und doch so kraftvoll erklingen. Die Schwerfälligkeit des Abschieds wird zur Leichtigkeit des Loslassens. Es ist eine Offenbarung des ewigen Flusses des Seins.

Die Dualität von Leben und Tod, Freude und Trauer erlebe ich mein Wirken wie ein kunstvoll gewobenes Muster aus Schatten und Licht. Ich betrachte jede Träne als ein Zeichen der Hoffnung und in jedem Lachen erkenne ich einen Hauch von Wehmut. Meine Lebensfreude spiegelt diese Dualität wider und schafft eine Brücke zwischen den Welten von Diesseits und Jenseits.

Im Herzen jedes Abschieds liegt ein funkelnder Neuanfang. Die unendliche Weisheit des Universums tritt im Tanz des Lebens und Todes zutage. Durch meinen Arbeit lernte ich dazu. Ich habe in meinem Leben eine Fähigkeit erworben: die Wahrheit des Lebens zu erkennen, wenn das Ende naht, noch intensiver zu lieben und zu vergeben. Jeder Schritt, den ich während der letzten 22 Jahren in Pflegeheimen gesetzt,  oder Sterbende zuhause begleitet habe, war eine Einladung zur Begegnung mit der Endlichkeit. Diese Begegnungen waren geprägt von Demut, Dankbarkeit und einer zutiefst liebevollen Begleitung.

Beim Betreten der Palliativabteilung herrscht stets eine Atmosphäre der Stille und des Abschieds. Das gedämpfte Licht, das leise Sprechen der Pflegekräfte und das zarte Atmen der Sterbenden schaffen eine Aura der Ruhe und Besinnung.

Meine Besuche und Begleitungen wecken in mir eine tiefe Demut. Die Anwesenheit derer, die sich auf den Weg ins Unbekannte machen, erinnert mich daran, wie zerbrechlich und kostbar das Leben ist. Jeder Atemzug und jede Geste kann zu einem Geschenk des Augenblicks werden. Dies lehrt mich immer wieder, die Gegenwart zu schätzen und Dankbarkeit für das Leben zu empfinden.

Während ich die Zimmer besuche, spüre ich die warme Umarmung der liebevollen Begleitung. Angehörige, Freunde und Pflegekräfte wachen wie Engel, halten die Hände und spenden Trost. Ihre Präsenz ist ein Zeugnis der Liebe, die über den Tod hinausreicht und die Sterbenden sanft in die nächste Welt begleitet.

In den Augen derer, die dem Ende entgegensehen, erkenne ich die Bedeutung der letzten Chancen. Es sind Momente, um sich zu versöhnen, zu vergeben und die Worte auszusprechen, die lange ungeäussert blieben. Die Sterbenden haben mich gelehrt, dass Frieden und Vergebung niemals zu spät kommen und dass es nie zu spät ist, Brücken zur Vergangenheit zu bauen.

Die Sterbenden verströmen vor ihrer nächsten Reise meistens eine Aura des Friedens und der Annahme, als ob ihre Augen bereits den Horizont des Unbekannten erblicken würden. Ihre letzten Atemzüge erinnern mich an die Vergänglichkeit des Körpers und die Unsterblichkeit der Seele.

Ich empfinde es als eine grosse Ehre und bin dankbar, Zeuge zu sein, wie das Leben seinen letzten Tanz erlebt, sanft wie eine zarte Melodie. Jeder Blick, jede Berührung und jeder flüchtige Moment des Lächelns erfüllt meinen Geist mit Wertschätzung. Die Sterbenden lehrten mich, dass das Leben in all seinen Farben und Facetten ein Geschenk ist, das mit Dankbarkeit und Liebe angenommen werden sollte. Die Bedeutung dieser Begleitung geht weit über das Physische hinaus und berührt die tiefsten Ebenen der Seele, um Trost, Hoffnung und Transformation zu spenden.

Eine liebevolle und geduldige Begleitung kann Sterbenden und Trauernden helfen, eine Verbindung zum Jenseits zu finden. Während dieser Reise ins Unbekannte ist es wichtig, dass die Begleitung nicht nur den physischen Schmerz lindert, sondern auch das spirituelle Wachstum und die innere Heilung fördert.

Der Sinn besteht darin, einen geschützten Raum zu schaffen, in dem Sterbende ihre Ängste und Sorgen loslassen können, um in Frieden und Akzeptanz ihren Weg zu gehen. Durch Rituale, Gebete und meditative Praktiken wird eine Atmosphäre der Verbundenheit geschaffen, die den Beteiligten Trost und Hoffnung jenseits der Grenzen des Materiellen bietet.

Die Begleitung kann helfen, nicht nur den Körper loszulassen, sondern sich auch von emotionalen und mentalen Lasten zu befreien. Sie eröffnet neue Perspektiven, ermöglicht eine Lebensbilanz zu ziehen, Vergebung zu praktizieren und in die Annahme der Endlichkeit des Seins hineinzuwachsen.

Es ist die Aufgabe der Begleitung, Sterbenden und Trauernden zu ermöglichen, Abschied in ihrem eigenen Tempo und auf ihre eigene Weise zu nehmen. Dadurch wird ein Übergang mit Würde und innerem Frieden ermöglicht. Es unterstützt die Betroffenen dabei, sich mit ihrem spirituellen Kern zu verbinden, die geistigen Dimension des Lebens zu erfassen und sich in die unerschöpfliche Quelle der Liebe und Hingabe zu begeben.

Ich empfinde es als sehr wichtig die Möglichkeit zu bieten, die spirituelle Dimension des Lebens zu erkunden. So wird der Abschied nicht nur zu einem Ende, sondern zu einem neuen Anfang. Es ist eine Einladung zur Transformation und zur tiefgreifenden Heilung der Seele.

Eine spirituelle Begleitung ist geprägt von der reinen Essenz der Liebe, die wie ein unsichtbares Band zwischen Himmel und Erde webt. In den Wirren des Abschieds kann Trost und Stärke gefunden werden, um den Sterbenden liebevoll auf ihrem letzten Weg zu begleiten. Jeder Moment der Verbundenheit ist eine Verbeugung vor der Göttlichkeit, die in uns allen wohnt.

Die Momente der Wahrheit und Offenbarung, in denen die Schleier der Illusion durchdrungen werden, bieten die letzten Chancen, alles ins Reine zu bringen. In diesen Augenblicken der Erkenntnis finde ich die Kraft der Vergebung, die Macht der Versöhnung und die Grösse der Liebe. Die Sterbenden lehren uns, dass es niemals zu spät ist, alte Wunden zu heilen und die Seele von Lasten zu befreien.

Ich habe erkannt, dass im Licht des Abschieds der Samen der Neugeburt liegt. Mögen bei all unseren Besuchen und Begleitungen stets Demut, Dankbarkeit, liebevolle Begleitung und die Chance auf einen würdevollen Abschied im Vordergrund stehen. Jeder Abschied birgt die Möglichkeit eines Neuanfangs und erinnert uns daran, dass die Liebe uns für immer verbindet.

Barbara

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